Alles beginnt in Italien

 

 

Alles beginnt in Italien auf kleinen Straßen, die von Turin nach Modena führen, wenn man nur die Autobahn oder selbst die Landstraßen verlässt. Seit vielen Jahren komme ich wieder einmal dorthin zurück und bin erstaunt von der Zahl verlassener Höfe. Auf den ersten Blick ähneln sie denen, die man auch in Frankreich findet, manchmal sind sie auch deren genaues Gegenteil: Gebäude von mehreren Stockwerken, deren leeres Gerippe sich mitten in den Feldern erhebt oder auch auf einem Gutshof von der Größe eines ganzen Dorfes.

 

Man kommt nicht umhin, an gewisse Szenen aus dem Film '1900' von Bertolucci zu denken, an die unablässige Geschäftigkeit, die sich dort abspielt, an die Mahlzeiten der Bauern und ihre großen Familien. Soweit sie überhaupt noch zu etwas dienlich sind, so sind diese heute viel zu groß geratenen Höfe nur noch Abstellplätze für einige moderne Maschinen, die mühelos die Arbeit von Hunderten von Bauern verrichten. Die letzten Landwirte bewohnen nur noch einen kleinen Teil der Häuser. Am Eingang zu der Besitzung weisen ein Reihe von Schildern den Neugierigen daraufhin, sich fernzuhalten. Sie drohen mit schwersten Strafen, denn selbst die Hunde haben die Ortschaften verlassen und erfüllen nicht mehr ihre Aufgabe. Und selbst wenn sich der Neugierige ganz vorsichtig nur einige Meter voran wagt, entdeckt er nichts als leeren Raum da, wo Bertolucci fiebrige Geschäftigkeiten aufleben ließ.

 

Es kommt manchmal vor, dass das Herrenhaus dennoch immer noch in gutem Zustand ist und dass in dem Privatgarten, der gewöhnlich weiter draußen liegt, die Bäume beschnitten, der Rasen frisch gemäht und die Wasserbecken und Brunnen gereinigt sind, all das, um der großbürgerlichen Familie den peinlichen Anblick arbeitender Bauern zu ersparen.

 

Die abgewetzten Mauern, die eine roten von Wind, Regen und Hitze gebleichten Stein zum Vorschein kommen lassen, die aus den Angeln fallenden Fensterläden von der Vegetation noch soeben vor der Auflösung gehalten, die in verschiedenen Farben aufeinander liegenden Putzschichten, die jetzt abstrakte Muster ergeben, all das hat mich bewegt, die ersten Fotografien zu dem Thema 'Spuren der Zeit' zu machen.

von Rainer Hammerich übersetzt